El Ejido – Einblicke in das Gewächshaus Europas

Published by Janina Storjohann on

Wenn ihr durch den Supermarkt lauft kennt ihr es alle, während einige es wohl nur beiläufig wahr nehmen, achten andere explizit auf die Herkunftsangabe ihres Obst und Gemüses. 

Oftmals steht dann dort in groß Lettern Spanien, im kleinen neben spezifischeren Angaben zum Lieferanten auch der genau Ort. Hier können Konsumenten die ganz genau hinsehen oftmals El Ejido oder Almería lesen. Doch was genau steckt eigentlich hinter dieser Angabe? In Literatur und Medien wird oftmals vom Gewächshaus Europas gesprochen wenn man ein Synonym für Provinz Almeria verwenden will. Denn nirgendwo sonst auf der Welt gibt es eine so große Anbaufläche unter Folie.

Als sich herausstellte, dass wir auf unserer Reise an der Südküste Spaniens entlang segeln werden, war es mir ein besonderes Anliegen in dieser Region einen Stopp einzulegen. Wenigstens von der Ferne wollte ich einen Blick auf die Region werfen, aus dem so viel Gemüse – welches in unseren Supermärkten verkauft wird – kommt. 

Doch ich hatte Glück, es bot sich sogar die Möglichkeit an, an einer Führung durch den Betrieb Clisol teilzunehmen. Ich hatte das grosse Glück in der Schweiz ein Jahr lang mein persönliches Interesse über Lebensmittel und dessen (nachhaltige) Produktion auch beruflich zu verfolgen. Auf Grund dessen, ist es mir ein Anliegen auch für dieses Thema zu sensibilisieren und was gibt es bessere, als diese Tour auf unserer Reise mit euch zu teilen.

Vor rund 60 Jahren wurden auf dem eigentlich kargen Landstrich Spaniens die ersten Gewächshäuser gebaut. Auf den ersten Blick absurd, wenn man weis dass diese Region auch als einzige Wüste Europas bekannt ist. Grund dafür ist das semiaride Klima was bedeutet, dass der Niederschlag in sechs bis neun Monaten im Jahr geringer ist, als die Verdunstung. Doch das sonnige und warme Klima ist auch der grosse Standortvorteil der Region, beispielsweise gegenüber Holland, dem größten Konkurrenten im landwirtschaftlichen Anbau innerhalb Europas. So kann Almeria doppelt so viele Sonnenstunden verzeichnen als der Konkurrent Holland.

Anhand der beschriebenen geographisch und klimatischen Bedingungen, ist jedoch die Ressource Wasser eher knapp bis gar nicht vorhanden.

Die Betriebe sind quasi von Natur aus angehalten dazu auf ihren Wasserverbrauch zu achten. Das meiste Wasser wird mittlerweile zum Großteil aus nahegelegenen Meerwasserentsalzunganlagen gewonnen. Hinzu kommt, dass mittels Tröpfchenbewässerung, welche Computergesteuert funktioniert und Ergebnis von moderner Technik und Sensoren ist, der Verbrauch in den letzten Jahren um wohl knapp ein Drittel gesenkt wurde. In Zahlen sprechen wir hier von nicht mehr 60.000 Liter in der Stunde sondern 20.000.

Doch der wohl vermeintlich wichtigste Faktor für die Landwirtschaft, ist hier ebenfalls nicht vorhanden: fruchtbarer und nährstoffreicher Boden. Früher, so hat uns Lola unser Guide erzählt, haben ihre Eltern extra Erde mit dem Esel aus den Bergen geholt, um überhaupt Landwirtschaft  betreiben zu können. Heute arbeitet Lola mit Kokos-Erde, eine organische Erde, welche aus Kokosfasern gewonnen wird. Diese importiert Lola aus Indien, sie weiss und es ist ihr beinahe unangenehm als sie uns davon erzählt, dass ihre Erde dadurch einen grossen CO2 Fussabdruck im Transport zurücklässt. Deshalb hofft die Landwirtin auf die Wissenschaft, welche aktuell versucht Schafwolle von Schafen aus Spanien, als Nährboden verwendbar zu machen. Dies wäre ebenfalls ein Abfallprodukt, welches bisher oftmals keine Verwendung mehr findet in Spanien und dieses Mal direkt auf dem eigenen Land.

Doch richten wir wieder den Blick zurück auf die damaligen Probleme der Landwirte. Das größte Problem: der küstennahe Wind. Wind welcher Saat und Erde davontrug.

Um sich diesem Problem zustellen, wurden die ersten Gewächshäuser gebaut, erst mit der Zeit bemerkte man, dass sich die Wärme innerhalb des Gewächshauses besser speichern lies. Die im Schnitt auch im Winter 3-4 Grad wärmere Temperatur in den Gewächshäusern begünstigte und verlängerte das Zeitfenster des Anbaus.

Wohin das geführt hat, kann man heute sogar aus dem Weltall sehen: mit 36.000 Hektar ist ein Meer aus Gewächshäusern entstanden. Für viele ein befremdliches wenn nicht sogar erschreckendes Bild.

Luftbildaufnahme der Provinz Almeria

Lola die Inhaberin des Betriebs Clisol erzählte davon, dass das Plastik der Gewächshäuser alle drei Jahre gewechselt werden muss. Grund dafür sei die Sonneneinstrahlung und der Wind welche die Folie spröde werden lässt. Im ersten Moment musste ich schlucken, als ich daran dachte welch enorme Fläche in so regelmäßigen Abständen mit neuer Folie überzogen wird. Doch ich teile, wenn auch nicht ausnahmslos, Lolas Ansicht, welche ganz klar sagt: der Umgang des Menschen mit Plastik ist das Problem und nicht das Plastik selber. 

Es ist naheliegend sich die Frage zustellen, warum nicht einfach Treibhäuser aus Glas gebaut werden. 

Doch die Antwort beinhaltet mehrere Aspekte,  Kunststoff ist nicht nur bruchsicherere und leichter sondern erweist sich auch in der Eigenschaft des isolieren als deutlich überlegener gegenüber dem Glas. Ebenfalls lässt Glas die Sonneneinstrahlung ungebremst zu den Pflanzen, welches bei den Temperaturen in Almería zum Problem werden würden. Selbst die Folierung muss im Sommer mit weißer Farbe bepinselt werden um die Pflanzen vor der Einstrahlung und somit Hitze zu schützen. 

Ganz anders als man im ersten Moment denken mag, wenn man die Luftbildaufnahme sieht handelt es sich nicht um große Landwirtschaftsbetriebe.  Ganz im Gegenteil, es ist ein sehr kleinteiliges System von Bauern welche sich in unterschiedlichen Agrargenossenschaften zusammenschliessen.  

Was die Bauern zum Teil bekümmert sind zum einen, dass Länder wie Marokko in der Landwirtschaft durch ihre noch niedrigeren Preise zu einer starken Konkurrenz werden und die Unsicherheit darüber, wie sich der Markt entwickelt. Zum anderen sich es aber auch die vielen Flüchtlinge, die an der Küste Spaniens ankommen und über welche die Medien berichten. Das Problem ist, dass viele auch ohne Papiere um Arbeit fragen, Lola selbst beschäftigt ihre Arbeiter zT schon seit 26 Jahren und sorgt für gute Arbeitsbedingungen in ihrem Betrieb. Es gibt jedoch wohl auch ein paar Betriebe, welche die Situation der Geflüchteten für ihren eigenen Profit nutzen und diese dann unter dem Tariflohn von circa 1000€ im Monat illegal beschäftigen. 

Ein weiterer viel diskutierter Aspekt in den Medien ist der Einsatz von konventionellen Insektiziden. Vor meinem gestrigen Besuch war mein Wissensstand, dass viele der Schädlinge mittlerweile resistent sind gegen die Pestizide und die Bauern gezwungen waren als Alternativen – welche zum Glück umweltfreundlicher geworden sind – zu suchen. Doch es stellt sich auch heraus, dass einige erst durch medialen Druck, nachdem ein deutsches Labor ein verbotenes Spritzmittel auf dem Gemüse feststellte umgestellt wurde. 

Mittlerweile heißt es, sei es die Norm, dass Landwirte mithilfe von anderen Insekten die Schädlinge, mittlerweile sogar kostengünstiger jedoch zeitaufwändiger, bekämpfen. Welcher Aufwand und welche Wissenschaft dahinter steckte, um ein eigenes kleines Ökosystem zu kreieren, konnte uns Lola sehr eindrücklich verdeutlichen in dem sie uns ganz in Ruhe die verschiedenen Schädlinge und Nützliche und weitere natürliche Hilfsmittel wie den Umgang mit Lockstoffen für Schädlinge erklärte. Es beeindruckte mich, welches wissen sich Lola angeeignet hat, wenn man doch bedenkt, dass bis zu ihrem vierzigsten Lebensjahr Analphabetin war. Ein Schicksal vieler Landwirte in zweiter Generation in dieser Provinz welche noch vor knapp 30 Jahren zu den Ärmsten gehörte. Genau aus dem Grund ist Lola froh, ihren beiden Söhnen ein anderes Leben bieten zu können, ein Leben in welchen ihre beiden Söhne aktuell Agradwissenschafts studieren um den Betrieb noch moderner und ökologischer in Zukunft führen zu können.

Laut Zahlen des Erzeugerverbandes Coexphal sind circa 39% der Tomaten aus Almería sogar aus biologischem Anbau, bei Gurken um knapp 24% und 9% bei Paprika. Doch nicht nur bei der Schädlingsbekämpfung greift man auf tierische Hilfe zurück, sondern auch bei der Bestäubung der Pflanzen. Die fleißigen kleinen Helfer sind Hummeln,  da diese schon bei niedrigeren Temperaturen als Bienen ausschwärmen. Lola arbeitet hier mit einem Holländischen Händler zusammen bei welchem sie regelmäßig Hummeln bestellt, doch das Geschäft rund um die Landwirtschaft floriert in Almería. Viele Betriebe rund um die Landwirtschaft haben sich längst ebenfalls in der Region angesiedelt.   

Abgeschlossen wurde unsere dreistündige Führung von einem Tomaten Tasting, bei welchem wir in den aromatischen Genuss aller verschiedenen Sorten von Lola gekommen ( die neben Tomaten auch Paprika und Gurken anbaut) sind.

All diese Informationen sind nur ein kleiner Bruchteil von dem, was ich euch erzählen könnte und ich hoffe, ich habe eine für euch interessante Auswahl an Aspekten thematisiert. Viele auch von den genannten Themen sind schwer in so wenigen Sätzen abzuhandeln und sind ein Potpourri aus unterschiedlichsten Aspekten die auf verschiedene Art und Weise reflektiert und diskutiert gehören. 

Ich hoffe jedoch, dass es dazu beigetragen hat einen kleinen Einblick davon zu bekommen, was es heißt wenn ihr das nächste Mal auf der Etikette „Herkunft Spanien“ mit dem Zusatz Almería oder El Ejido lest. 

Wer selber an diesem Thema interessiert ist und einmal in die Region rund um Almeria kommen sollte, dem empfehle ich sehr, ebenfalls an einer solchen Führung teilzunehmen.

Website: www.clisol.com


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