Pläne sind da, um sie über Bord zu werfen

Published by Janina Storjohann on

Ob Weltumsegelung und Barfussroute oder die Nordwest-Passage, Grösse und Mitglieder der Crew, oder die Dauer der Reise. All diese Punkte haben sich in den Jahren der Vorbereitung und der Realisierung dieser Idee einige Male geändert. Eines war jedoch nie wirklich in Frage gestellt worden, der Punkt, dass das Abenteuer Atlantiküberquerung fester Bestandteil der Reise sein wird. Die Vorstellung mit einer Kokosnuss unter den Palmen mit Blick auf kristallklares Wasser ist ja auch sehr verführerischen oder?

Es wurde zwar diskutiert welches die besten Strategien und Personenanzahl wäre für diese Strecke, die Etappe an sich wurde jedoch nie in Frage gestellt. 

Als wir uns in diesem Frühjahr mit der Corona-Situation konfrontiert wurden, war uns erstmals bewusst, dass wir mit dem Refit nicht so schnell wie geplant vorankommen werden. Als Folge dessen war uns klar, wir werden wohl erst später als geplant in See stechen können. Das Zeitfenster bis zur Atlantiküberquerung und somit auch für Julia und mich segeln zu lernen verringerte sich damit synchron. 

Je mehr das Jahr voranschritt, desto deutlicher wurde, dass wir den Heimathafen in San Giorgio di Nogaro nicht wie geplant verlassen werden. 

Simultan wurde auch immer klarer, dass die zusätzlichen Personen, welche uns über den Atlantik zunächst begleiten wollten dieses Abenteuer auf Grund von Corona aber auch anderen Verpflichtungen nicht mit uns antreten werden. 

Erste Gespräche kamen auf, darüber dass wir nun mit einem gehörigen Zeitdruck durch das Mittelmeer Segeln müssen um im Dezember die Atlantiküberquerung anzutreten. 

Zeitdruck, etwas was wir auf unserer einjährigen Reise nicht haben wollten. Wir gaben uns dem dennoch hin, weil der Wunsch grösser war als den Zeitdruck den wir zunächst verspürten. Als wir jedoch in Quarantäne mussten für eine Woche und dann zusätzlich noch 10 Tage in Palermo verbracht haben da jemand aus der Crew mehrere Zahnarzttermine hatte, sass der Zeitdruck als unangenehmer Genossen immer massiver im Nacken. 

Parallel zum Zeitdruck entwickelt(e) sich die aktuelle ausserordentliche Lage mit Corona in eine Richtung, die wir so nicht erwartet hätte. Ihr wisst es ja selbst, immer mehr Restriktionen in Deutschland, der Schweiz, in Europa ja in der ganzen Welt. Erneute Lockdowns und Reiseverbote. Wir begannen uns Gedanken zu machen was uns wohl erwarten wird nach knapp drei Wochen auf hoher See, wird man überhaupt an Land dürfen? Kommt man von der Insel auf der man ankommt weg? Und wohin soll es überhaupt nach der Karibik gehen? Brasilien war immer eine Wunsch-Destination und würde aktuell nicht in Frage kommen. 

Diese zwei Punkte, der Zeitdruck und Corona verursachten bei uns ein Gedankenkarussell. Zunächst unterschwellig und dann immer deutlicher stellten gerade auch wir Mädels uns die Frage, ob wir genug Erfahrung haben für den Atlantik. Damit war die erste Frage gestellt, die wir vergleichsweise eindeutig beantworten konnten: Nein. 

Es gibt Segler und YouTuber(innen) die bei weitem mit weniger Erfahrung über den Atlantik sind und sicherlich könnten wir es packen. Doch wir würden uns nicht so sicher fühlen wie erhofft und wir denken, dass sich dann auch schneller Fehler und Unfälle einschleichen könnten. Erfahrung mit Anlegen, unserem Schiff unter Motor und allem was dazu gehört haben wir wohl mittlerweile, aber alleine an Deck unter Segeln? Trauen wir uns das schon zu? Eher nicht. Die Erfahrung hängt dabei nicht nur mit dem zeitlichen zusammen, sondern auch den bisherigen Windverhältnissen auf unserer Reise. Eine genaue Angabe kann ich nicht machen, aber wir konnten wohl bisher leider von den knapp 1300 Seemeilen die wir zurückgelegt haben nur etwa die Hälfte – wenn überhaupt – segeln. 

Somit war ein zusätzlicher Platz im Gedankenkarussell belegt worden. 

Uns ist diese Entscheidung nicht leicht gefallen, war es doch der Teil des Traumes der immer schon so felsenfest klar war. Haben wir doch dafür und für die Zeit nach dem Atlantik unser Schiff möglichst autark ausgestattet und beispielsweise einen Wassermacher gekauft. Es waren aber auch andere Vorbereitungen wie das beantragen eines Reisepasses mit extra vielen Seiten oder dem internationalen Führerscheins. Sind doch so viel Energie in die Suche nach einer Haftpflicht und Vollkaskoversicherung für das Schiff ausserhalb Europas geflossen, das abwägen nach dem richtigen Handyvertrag, der passenden Kreditkarte und all die Medikamente welche wir für den grossen Schlag über den Atlantik gekauft haben. All das haben wir wie selbstverständlich organisiert und recherchiert. 

Doch dann haben wir uns auch an einen Satz zurück erinnert, welchen wir in der Vorbereitung einige Male gesagt hatten: 

 „Wohin die Reise geht ist Nebensache. Entscheidend ist wer dich begleitet“. 

Nicht über den Atlantik zu segeln ist ja auch nicht unbedingt nur eine schlechte Entscheidung. Es ist auch die Entscheidung Länder und Regionen zu entdecken welche uns sehr interessieren aber für welche durch unseren vorherigen Plan keine Zeit gewesen wäre. Es ist ebenso eine noch bewusstere Entscheidung  zu endschleunigen und die Reise ab sofort ohne Zeitdruck fortzuführen. Wir hoffen, dass es auch neue Optionen für Freunde und Familie bietet uns zu besuchen, falls im kommenden Sommer die Restriktionen wieder vermindert werden. Ebenso haben wir nun die Möglichkeit das Segeln in Ruhe zu erlernen und das Projekt Atlantiküberquerung dennoch zu einem späteren Zeitpunkt anzugehen. Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben wie man so schön sagt und die Realisierung dieser Reise, all die Schritte haben uns gezeigt, wenn wir wollen können wir unsere Träume realisieren. 

Categories: Die Reise

6 Comments

Margrit Martinaglia · November 22, 2020 at 6:49 pm

Gut entschieden.
Weiterhin viel Spass.

Mast- und ,Schotbruch
Margrit Martinaglia

    admin · November 23, 2020 at 6:12 pm

    Dankeschön liebe Margrit.
    Liebe Grüsse von der ganzen Crew!

wolfgang · November 22, 2020 at 6:53 pm

Richtige Entscheidung! es wäre ein Wettrennen runter zu den
Kanaren,und all die schönen Orte auf dem Weg dahin könntet ihr nicht erleben.das würde auch die Crew zermürben
Ihr lebt alle einen Traum von dem die Menschen welche euch im Internet folgen nur träumen können!
geht kein Risiko ein und weiter gute Reise mit der Principessa!

    admin · November 23, 2020 at 6:14 pm

    Danke für deine Worte, wir freuen uns, dass unsere Entscheidung auch nachvollziehbar ist für Aussenstehende!
    Wir geniessen die Zeit und hoffen alle daheim gebliebenen etwas teilhaben zu lassen durch unseren Blog (:

Kurt Mühl · November 23, 2020 at 9:19 am

Liebe Schiffsbesatzung,
Habe den Blog aufmerksam gelesen. Wohl geschrieben und macht Sinn. Um Sardinien herum kann man super segeln und jede Menge Buchten ansteuern. Mein Freund Jens hat einen Katamaran und wir waren im Juli mit ihm eine Woche auf Segeltour um Sardinien herum. War toll, warmes Badewasser und immer schöner Segelwind. Die Windrichtung hat manchmal nicht so gepasst. Da haben wir halt dann das Ziel
darauf optimiert.
Jetzt , unter diesen unwägbaren Umständen den Atlantik überqueren macht eigentlich oder tatsächlich keinen Sinn.
Zeitdruck ist kein guter Ratgeber.
Alle guten Wünsche weiterhin für euch. Gesund bleiben
und kreativ sein .
Viele Grüße Kurti

    admin · November 23, 2020 at 6:17 pm

    Lieber Kurti,
    Da hast du absolut recht und nicht nur Sardinien ist so unfassbar schön. Das Mittelmeer hat unendlich viele Facetten und wir freuen uns sehr einige davon nun kennenzulernen im kommenden Jahr. Ebenfalls freut uns, dass unsere Entscheidung auch von euch Mitlesenden mitgetragen und nachvollzogen wird!
    Liebe Grüsse die Meerjungfrei-Crew

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